Nicht neu, aber mit vielen Überarbeitungen stellt sich die neue La Marzocco Linea Mini-R vor. Sie ist nicht nur ein Update der bisherigen Linea Mini, sondern löst diese ab. Wir hatten die Gelegenheit, die Linea Mini-R bereits vor dem internationalen Marktstart zu testen. Wie immer haben wir auch diese Maschine gekauft und halten mit unserer Meinung nicht zurück.
La Marzocco weiß das und lässt sich dennoch darauf ein, ohne Einfluss auf das Ergebnis unseres Tests zu haben. Manchmal ist das Feedback positiv, wie z.B. bei der Linea Micra. Manchmal durchwachsen oder eher negativ, wie bei der La Marzocco Pico.
Wir schätzen es, dass La Marzocco uns zum Testen einer Maschine vor dem Marktstart informiert. So wisst ihr von Anfang, was wir über die Maschine denken. Und für uns ist es eine Ehre, weltweit zu den ersten zu gehören, die eine Maschine testen.
Was hat sich bei der La Marzocco Mini R geändert?
La Marzocco bleibt sich mit der Line Mini-R treu. Die Maschine knüpft an die Stärken der alten Maschine an und überarbeitet einige Funktionen und vor allem das Design.
- Shottimer: Die Maschine hat nun eine Anzeige der Bezugslänge, die sich in der Front über dem Paddle befindet.
- Die Haptik und das Design von Paddle und Drehknöpfen wurden überarbeitet. Diese sind nun matt schwarz, was hochwertiger wirkt und sich auch besser anfühlt.
- Die Metallplatte hinter der Brühgruppe an der Front ist in der Farbe der gesamten Maschine. Das sieht viel stimmiger aus, passt zur Einheit der Maschine und musste bisher als individualisierte Arbeit zusätzlich von anderen Anbietern gekauft werden.
- Die Maschine ist dafür vorbereitet, um mit der La Marzocco Acaia Waage verbunden zu werden und darüber Brew-by-Weight anzubieten.
- Der Druck der Rotationspumpe lässt sich nun von oben mit einem Schraubenzieher verstellen. Die Verstellung ist in die Tassenablage integriert.
- Komplett überarbeitete Vorbrühungsfunktion, auch ohne Festwasseranschluss. Genauer beschrieben unten im Artikel.
- Modifizierbarer Siebträger mit Plastik-Ausläufen, wie gesehen und diskutiert bei der Micra.
- Überarbeitete App und Funktionalität ohne Internet bzw. Wifi-Verbindung, wenn einmal mit App-kalibriert.
- Das Temperaturrad an der Seite ist verschwunden.
Und sonst? Die Linea Mini bleibt die Linea Mini. Die wesentlichen Änderungen im Inneren sind die Vorbrühung, einige Veränderungen im Bereich der Pumpe und damit verbundene eine Lautstärkenreduzierung. Die Entnahme der Tropfschale und des Wassertanks wurde ebenfalls überarbeitet, angelehnt an die Funktion bei der Micra und geht nun einfacher von der Hand.
Für wen ist die Linea Mini-R die richtige Espressomaschine?
Die Linea Micra hat die Logik des eingruppigen Maschinensortiments verschoben. War früher die Linea Mini die Einstiegsespressomaschine aus dem Hause La Marzocco, präsentierte sich nun in der Micra eine echte La Marzocco für deutlich weniger Geld und doch mit einem guten Preis-Leistungspaket.
Die Micra heizt schnell hoch, hat einen verhältnismäßig niedrigen Energieverbrauch und alles, um guten Espresso und Milchschaum zu liefern. Neben dem geringeren Preis von unter 3'500 € unterscheidet sie von der Linea Mini, dass sie deutlich weniger PS unter der Haube hat.
Für den qualitätsbewussten Home Barista ist die Micra ein dankbarer Einstieg in die Welt der La Marzocco-Espressomaschinen. Die Linea Mini, mit einem Preis von über 5000 €, steckte plötzlich im argumentativen Vakuum. Für wen ist diese Maschine eigentlich die passende?
Denn wer wirklich Leistung und Perfomance auf einer eingruppigen Espressomaschine wünscht, griff oft tiefer in die Tasche und investierte noch einmal 1500 Euro mehr, um eine La Marzocco GS3 sein eigen zu nennen. Spätestens mit dieser Maschine ist der Home Barista dann im Bereich der Gastro-Qualität Zuhause angekommen.
Die Einführung der Acaia-Waagen-Integration öffnete für die Linea Mini eine deutliche Abgrenzung zur Micra (die deshalb auch nie offiziell mit Waage nachrüstbar sein wird). Mit der Anbindung der Waage brüht die Linea Mini via Gewichtserkennung. Diese Funktion wurde im vergangenen Jahr präsentiert und war bereits als Upgrade für die bisherige Mini verfügbar. Mit der Mini-R ist die Anbindung nicht nur nativ sondern verbessert.
Und wie stellt sich nun die Positionierung auf dem Markt da?
Die Linea Mini-R will heute nicht nur die Espressomaschine für den Home Barista sein, sondern mit der integrierten Waage auch als eingruppige Espressomaschine in der Gastronomie performen. In vielen kleineren Specialty Coffee Shops, insbesondere im asiatischen Raum, ist das ein verbreiteter Use-Case der Mini.
In unserem Test haben wir deshalb ausführlich getestet, ob die Mini-R diesen Anspruch erfüllen kann.
- Ist sie außerdem, insbesondere auch mit der überarbeiteten Vorbrühung, die perfekte Espressomaschine, um anspruchsvolle hell gerösteten Specialty-Espresso zu brühen?
- Und nicht zuletzt: ist La Marzocco auch mit der Mini-R nun in einer Zeit angekommen, wo geringerer Energieverbrauch für viele Home Barista eine immer größere Rolle spielt?
Espresso-Performance und Temperatur-Konstanz
Die Qualität von Espresso ist das, woran sich jede Espressomaschine messen lassen muss. Die wichtigsten Kriterien dafür sind Temperaturkonstanz, auch über mehrere Shots, eine gut umgesetzte Druckperformance sowie die einfache Einstellbarkeit des Drucks. Weitere Kriterien sind außerdem die mitgelieferten Siebe, sowie eine gleichmäßige Verteilung des Brühwassers.
Temperatur und Aufheizzeit mit Dampfboiler
Beginnen wir mit der Temperatur-Konstanz und Bereitschaft. Beeindruckend ist, wie schnell die La Marzocco Linea Mini-R auf Temperatur ist. Der Test der Temperaturbereitschaft dauert bei uns jeweils mehrere Tage, da wir die Maschine zwischen jedem Messzyklus komplett abkühlen lassen und erst am nächsten Tag erneut prüfen, ob auch ein schnelleres Aufheizen möglich ist. Bei der Linea Mini-R konnten wir eine Aufheizzeit von 10 Minuten ermitteln. Wir empfehlen, nach 10 Minuten der Siebträger 20 Sekunden zu Spülen, um auch diesen gut durchzuwärmen. Der Brühboiler signalisiert bereits nach 8 Minuten Bereitschaft. Zwei weitere Minuten zu warten empfiehlt sich jedoch.
Nach 10 Minuten wurde das KM-Temperatur-Protokoll und anschließend das WBC Protokoll durchgemessen. Beim KM-Temperatur-Protokoll werden fünf Bezüge im Abstand von einer Minuten direkt nach dem Aufheizen bezogen. Beim WBC Protokoll werden nach einer Stunde Stehzeit bei laufender Maschine 14 Bezüge nach dem Protokoll der World Barista Championship gemessen. Dabei wird die “Idle” Zeit, also die Zeit zwischen den Bezügen immer mehr verkürzt. Trotz des kleinen Boilers zeigte die LM Mini-R mit einer Standardabweichung von 0,74 respektive 0,76 Grad beim KM Protokoll ein sehr gutes Ergebnis bei angeschaltetem Dampfboiler.
Das WBC Protokoll weist eine Frequenz auf, welche die höchstmögliche Espresso-Performance in einem Café simuliert. Schneller arbeiten geht mit einer eingruppigen Maschine nicht. Jedenfalls in Sachen Temperatur-Konstanz ist die La Marzocco Mini-R damit für jegliches Massen-Abfertigungsszenario geeignet.
Druck und Espressoqualität
Gleiches lässt sich auch für die Druckkonstanz sagen. Die Maschine zeigte über alle Bezüge keine nennenswerten Auffälligkeiten. Das zeigte sich in unserem Test in sehr guten Espressobezügen, die keine Wünsche offen ließen. Wir haben unterschiedliche Espressi gebrüht, verschiedene Rezepte getestet und konnten, durch den Einsatz einer guten Espressomühle sowie einer sorgfältigen Puckvorbereitung, sehr gute Espresso-Resultate erzielen.
Dank des relativ kleinen Brüh-Boilers, der direkt über der Brühgruppe sitzt, ist auch eine recht zügige Verstellung der Brühtemperatur möglich. Dazu wird die Temperatur über die App umgestellt. Es sollten rund 20 Sekunden Wasser zur Stabilisierung der Temperatur bezogen werden, um anschließend mit veränderte Temperatur einzusetzen.
Dampfboiler aus verursacht Probleme
Um es ganz deutlich zu machen. Die Funktion den Dampfboiler zu deaktivieren, erweist sich bei unseren Tests als unbrauchbar. Wir weisen darauf so klar hin, weil die Option in der App besteht. Ja, die Linea Mini-R kann im Prinzip nur mit Brühboiler betrieben werden. Wir haben jedoch die Zieltemperatur nicht nach 10 und auch nicht nach 20 Minuten erreicht. Tatsächlich mussten wir die Temperatur 3 Grad höher einstellen, um überhaupt auf Brühtemperatur zu kommen. Diese war dann allerdings keinesfalls vergleichbar konstant wie die Temperatur des Brühwassers bei eingeschaltetem Dampfboiler. Sowohl bei 93 als auch bei 96 Grad brach die Temperatur im Bezug deutlich ein.
Siehe am Ende des Artikels auch die Grafik des Espressobezugs bei ausgeschaltetem Dampfboiler mit 96 Grad.
Schäumen bis der Arzt kommt
Während der Brühboiler mit nur 200 ml eine überraschend konstante Brühtemperatur hinlegt und zeigt, das La Marzocco smart kann, ist der Dampfboiler eher Ausweis von Kraft und anachronistischer Haltung.
Ja, die Maschine liefert 1,9 Bar und der Dampf ballert nur so aus der Lanze. Wir sind eigentlich große Freunde von viel Druck und stellen Dampfboiler auf die höchstmögliche Stufe. Bei der La Marzocco Mini-R ist Stufe 3 selbst für Barista-Profi Michel Indelicato fast zu kraftvoll. Wenige Sekunden reichen, um den Dampf zu erwärmen und zu rotieren.
In Basel messen wir die Dampfpower-Leistung daran, ob eine Maschine den “heiße Schocki” Ansprüchen an der Fasnacht stand halten würde. Und was soll ich sagen? Gibt mir eine Mini-R und setzt mich mitten im Cortège ab. Ich werde liefern.
Warum anachronistisch?
Wir haben gute Dampfperfomance auch schon bei Maschinen mit deutlich kleineren Boilern und vor allem mit weniger Energieverbrauch gesehen. Die La Marzocco Linea Mini-R reiht sich in den Kreis der Stromfresser-Maschinen ein. Mit einem Stromvebrauch von 0,38 kWh auf 5 doppelte Bezüge inkl. Aufheizen gehört sie zu den schlechteren Espressomaschinen in Sachen Energieverbrauch. Deutlich besser wird es nur, wenn wir den Dampfboiler auslassen. 0,13 kWh stehen hier für die Bezüge inkl. Aufheizen zu buche. Wegen der oben benannten Performance-Schwierigkeiten, kann dieser gute Wert allerdings kaum als Wert heran gezogen werden. Der Maschine fehlen eben die entscheidenden drei Grad Temperatur, um unseren Anspruch an aufgeheizte Maschinen zu erfüllen.
Design und Wertigkeit
“Endlich”, möchte man rufen. Mit dem unteren Frontblech ist nun die gesamte Maschine im Stile der Farbvariante gestaltet. Was Specht-Design oder Deon bisher nachrüsten mussten, ist nun Teil der Maschine. Und auch das überarbeitete Paddle, die Drehgriffe von Milchlanze und Wasserbezug sind nicht nur optisch stimmig, sondern vermitteln Wertigkeit.
Mich hat bei früheren La Marzoccos Linea Minis immer die glänzende Optik der Bedienelemente gestört. Diese fühlten sich etwas billig und kalt an. Die matte Optik und leicht raue Haptik vermitteln einen angenehmen Touch.
Der Wassertank und die Tropfschale lassen sich nun einfach entfernen und behalten das große Fassungsvermögen. Die Tropfschale hat einen Schwimmer auf der Platte, der bei der Micra Einzug erhalten hat und den wir von vielen günstigeren Espressomaschinen kennen. Dadurch lässt sich gut sehen, ob die Zeit zum Leeren der Tropfschale gekommen ist. Allerdings ist die Tropfschale der LM Mini-R so groß, dass kaum jemand so lange warten wird, bis diese große Tropfschale voll ist. Bevor die Tropfschale voll ist, wird sie mit ihrem enormen Fassungsvermögen eher zum Biotop und Mückennest.
Die nun verwendeten Edelstahl-Durchflussregler im Vorbbrühbereich der Maschine sind ein willkommenes Update und versprechen weniger Verkalkung im Inneren der Maschine.
Und dann ist da noch der Shottimer, der nun an der Maschine die Dauer des Espressobezugs anzeigt. La Marzocco hat - endlich - auf die Community reagiert und eine schöne Anzeige der Espressobezugszeit geschaffen. Die Optik ähnelt der Zifferndarstellung der La Marzocco Pico. Sie ist einfach, reduziert auf das Nötigste und fügt sich mit ihrer zurückhaltenden Anzeige gut in das Bild Maschine ein.
Modularer Siebträger
Kommen wir aber zum Elefant im Raum: der Siebträger. Was bei der La Marzocco Micra mit ihrer extrem kurzen Aufheizzeit und guten Energieperfomance jedenfalls für uns eine stimmige Ergänzung des Konzeptes waren, wirkt an der Linea Mini-R eher wie ein Fremdkörper. Grund dafür ist auch, dass das Plastik des 1er- und 2er-Auslaufes optisch dem Plastik der früheren Bedienelemente ähnelt. Es ist glänzend. Die Maschine hat aber nun komplett auf matt als Design- und Farbelement gewechselt.
Für alle, die den Siebträger früher und heute nicht kennen: La Marzocco hat bislang mit der Linea Mini zwei hochwertige Edelstahl-Siebträger ausgeliefert. Einer war für den Bezug von 1er-Bezügen vorgesehen und der andere für 2er Bezüge. Stattdessen gibt es nun den Micra Siebträger, der an Material spart, zwei Plastik-Drehaufsätze im Gepäck hat sowie ohne Aufsatz auch als bodenloser Siebträger genutzt werden kann. Letzteres ist smart und im Prinzip ist auch smart, dass der Siebträger weniger lange aufheizen muss, weil weniger Material verwendet wird und das Plastik kaum leitfähig ist. Es wird also wenig Temperatur an den Plastikauslauf verloren.
Die Linea Mini-R aber, mit ihrem Anspruch auch in gastronomischen Setups eine Rolle zu spielen, wirkt mit dem modularen Siebträger falsch bestückt. Das machen auch die guten und ebenfalls im Lieferumfang verfügbaren 14er, 17er, und 21er Siebe sowie Einportionen-Siebe nicht besser. Wenn ich wirklich viele Shots ziehen muss, dann will ich nicht auf dem Plastikaufsatz tampen, sondern einen kraftvollen und belastbaren Edelstahl-Siebträger wie früher.
Für Zuhause ist der modulare Siebträger auch bei der Mini-R eine nette Sache. Selbstverständlich kann der Edelstahl-Siebträger zugekauft und ergänzt werden. Womit wir in diesem Artikel beim Zubehör angekommen sind.
Eine Acaia Waage verändert die Mini
Das wichtigste und beste Upgrade für die Mini ist die von Acaia für die Mini adaptierte Bluetooth Waage. Die Waage ist so eine zentrale Ergänzung der La Marzocco Mini, dass sie eigentlich ein fester Bestandteil des Paketes sein sollte. Denn selbst wer heute schon eine Acaica Waage hat, wird eine neue brauchen, um den Funktionsumfang der Mini-R zu nutzen. (Das ist leider so, da nur die LM Acaia Waage auch in die App und Linea Mini integriert werden kann.)
Die Waage wird über Bluetooth mit der App- und dadurch mit der Espressomaschine verbunden. Das Verbinden geht eigentlich ohne Probleme, wenn es keine Probleme gibt. Bei uns funktionierte es am ersten Tag zuverlässig, am zweiten zickte die App und brach beim Verbinden immer wieder ab und am dritten Tag war die Perfomance gut.
Wenn die Waage verbunden ist, kann über die App die Ausgabemenge als Gewichtswert eingeben werden. Sehr gut ist, dass die Waage auch mit der Maschine kommuniziert, wenn die App nicht aktiviert ist. Die letzte eingegebene Gewichtswahl wird von der Maschine bei Bedienung des Paddles erneut abgerufen.
Wenn eine neue Waage neu mit einer Maschine verbunden wird oder der Wechsel von einem Espresso auf einen deutlich anderen vorgenommen wird, hat die Genauigkeit der Waage-Steuerung größere Schwankungen. Nach einigen Bezügen pendelt sich die Waage jedoch gut ein und liefert dann mit einer Genauigkeit von ca. 0,5 Gramm Abweichung die Menge in der Tasse. Das ist eine gute Präzision.
Allerdings ist ein gutes Flowmeter auch in der Lage, eine solche Präzision zu erreichen. Die Waage sollte im Prinzip stärken haben, wenn mit Druckprofilen oder unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten gearbeitet wird. Diese Funktionen sind jedoch bei der La Marzocco Mini-R gar nicht vorgesehen.
Kritik an der Einbindung der Waage
Die Integration einer Waage in den Linea Mini-Ablauf ist für mich deshalb auch nur halb überzeugend. Im Prinzip gefällt mir die Idee. Im Vergleich zu einer guten Volumetrik überzeugt sie mich an der Linea Mini-R jedoch nicht.
- Die Grammatur-Wahl lässt sich nur über die App verändern, und nicht direkt an der Maschine. Bei der GS3 drücke ich einfach den 1er oder 2-Portionen-Knopf, um eine andere Volumetrik anzuwählen.
- Die Genauigkeit der Waage ist der Volumetrik zumindest bei unserer Pre-Release Firm- und Software nicht überlegen.
- Der Arbeitsablauf mit der Waage ist ein Arbeitsablauf mit der Waage. Zwar tariert die Waage gut und präzise, kurz nachdem die Tassen aufgestellt und der Bezug gestartet wird, doch muss die Waage erst positioniert und müssen die Tassen platziert werden.
Und nun kommen wir zum Drip-Tray, welches uns vom Hersteller zur Verfügung gestellt wurde. (Die Maschine und Waage haben wir gekauft.)
Das Drip-Tray und der Spül-Ablauf
Das Waagen-Drip-Tray hat eine eingelassene Vertiefung für die Waage. Und ganz ehrlich: wir würden es niemals kaufen! Während der Ablauf mit Waage auf dem normalen Drip-Tray durch das Arbeiten mit anderen Espressomaschinen ohne Volumetrik schon fast angewöhnt ist, fühlt sich das herauspuhlen der Waage aus der Einlassung wie Fingerakrobatik an. Auf dem normalen Tropfblech schieben wir mit oder ohne Tassen nach links oder rechts. Fertig.
Ja, sowohl La Marzocco und auch Acaica bestätigen, dass die Waage die Temperatur beim Spülen aushalten soll. Aber zumindest wir bringen es nicht fertig, 90 Grad heißes Wasser über einen 400 Euro Waage zu spülen. Das fühlt sich einfach falsch an!
Und hier hänge ich mich mit der ganzen Waage und der "Brew-By-Weight" Thematik auf. Für mich verpasst La Marzocco mit der Mini-R eine große Chance, die Waage in die Aufhängung der Tropfschale zu integrieren. So wie wir es von Grind-by-Weight Mühlen oder auch Espressomaschinen mit integrierter Waage kennen.
Das Waagen Drip-Tray und die via Bluetooth via App verbindbare Waage fühlt sich auch in der Mini-R etwas nachträglich hinein gewurschtelt an, wie es bei der La Marzocco Mini ohne R ja auch bereits der Fall war.
Der Gastroablauf mit der Waage
Eine gute Volumetrik bzw. Brühmengenprogrammierung ist für mich in der Gastronomie die Voraussetzung, damit eine Espressomaschine Sinn macht. Deshalb habe ich in der Vergangenheit aus dem Hause La Marzocco die GS3 empfohlen, wenn es um eine eingruppige Espressomaschine ging.
Die Integration der Waage ergänzt die Maschine sinnvoll, so dass sie prinzipiell in einer Café-Umgebung gut einsetzbar ist. Natürlich kann in einem Café auch ohne Volumetrik und mit manuellem Stoppen gearbeitet werden. Allerdings habe ich schon zu oft selbst erlebt, dass mich, vor allem wenn ich in einem Café alleine gearbeitet habe, Gäste oder eine andere Arbeit davon abgehalten haben, 25 Sekunden vor dem auslaufenden Espresso stehen zu bleiben. Entsprechend habe ich dann vielleicht auch den Moment verpasst, wenn ich den Espresso hätte manuell stoppen müssen.
Die Waage hilft mir nun, genau das sehr präzise durchzuführen. In den 15 Jahren in den ich Cafés und Kaffeehäuser aufgebaut und geleitet habe, hat sich jedoch ein weiteres Kriterium für eine Espressomaschine dazu gesellt. Ich wünsche mir für meine Cafés Espressomaschinen, die vor allem auch unter höchster Frequenz einfach und ohne zusätzliche Handgriffe auskommen. Nur bei hoher Frequenz verdienen Cafés wirklich Geld. Gerade dann kommt es darauf an. Dann decken wir die hohen Kosten, die in den Stunden des Putzens, des Café-bereit-machens am Morgen und des abendlichen Schließens entstehen. Deshalb suche ich Espressomaschinen aus, die genau in diesem Moment performen. Und deshalb würde ich weiterhin die GS3 ohne zu zögern der Linea Mini-R für einen gastronomischen Kontext vorziehen. Denn der Ablauf mit Waage, das balancieren der Espresso Tassen auf eben dieser und das wieder zur Seite schieben zum Spülen, sind für den schnellen und zuverlässigen Ablauf unter Stress einfach zu viele Micro-Schritte.
Wäre die Waage unterhalb der Tropfschale (wie beim Decent Stand) oder in die Aufhängung integriert, wäre die Linea Mini-R eine interessante Alternative.
Das Paddle - Stil oder schweres Erbe
Ja, auch ich mag das Paddle. Ich finde übrigens, dass das neue Paddle wirklich elegant ist und auch der sich verändernde Winkel des Paddles was her macht. Und doch bin ich auch beim Paddle unsicher, ob es wirklich gesamtkonzeptionell in der neuen Brew-By-Weight Espressomaschine Sinn macht. Denn: es fährt nicht zurück. Zwar stoppt der Bezug über die Steuerung der Waage sauber. Das Paddle aber verbleibt in der linken Position. Denn wir haben den Bezug eben nicht mit dem Paddle gestoppt.
Sagen wir es mal so: hätte La Marzocco eine wirklich neue Espressomaschine designt, neue Funktionen überlegt und alles vom Scratch entworfen, dann bezweifle ich, die La Marzoccoe Lina Mini-R würde genauso aussehen wie heute. Wenn mit Paddle, dann würde es automatisch zurückfahren in dem Moment, wenn die Maschine stoppt. Oder die verschiedenen Gewichtsmengen wären gleich mit Knöpfen à la GS3 ausgestattet.
Oder würde die La Marzocco Linea Mini-R dann für die GS3 die Marktposition genauso zerschießen, wie es die Micra für die Mini getan hat? Das mag sein. Denn was könnte die GS3 besser als die Linea Mini-R, führen wir uns nochmal vor Augen, wie gut einerseits die Temperaturkonstanz unter Frequenz und auch die Schäumperformance der Mini-R war.
Spielen wir den Gedanken einmal weiter: Die Linea Mini-R hätte eine integrierte Waage unterhalb der Tropfschale oder die Waage sinn voll integriert. Sie würde damit die GS3 stark unter Druck setzen. Nun also die Frage, was die GS3 in Zukunft auszeichnen würde? Was wäre z.B. mit einer fortschrittlichen Fließgeschwindigkeitskontrolle, abspeicherbaren Druckprofilen oder adaptiver Steuerung. Da würde uns schon einiges für die La Marzocco GS3 einfallen.
App-Steuerung und Anbindung
Die La Marzocco-App reiht sich als eine der besseren Espressomaschinen-Apps neben zahlreichen eher schlechte Apps ein. Auch die LM-App macht keine großen Sprünge, aber das was sie je nach Maschine liefert, das ist solide. Bei der Linea Mini-R ist es die Einstellung der Temperatur in Zehntel-Grad Sprüngen, 3 Druckstufen des Dampfboilers, eine Vorbrühung sowie Preinfusion (beide im nächsten Kapitel beschrieben).
Es lässt sich außerdem die Startzeit der Espressomaschine programmieren. Montags soll die Maschine vielleicht früher angehen und Dienstags erst um 10.00 Uhr. Allerdings ist diese Funktion wohl eher interessant für Modelle wie die GS3. Die Linea Mini-R mit ihrer kurzen Aufheizzeit ist schließlich schnell auf Touren.
Wird die Waage via Bluetooth mit App und Maschine verbunden, kann über die App-Oberfläche auch das Volumen der Waage in 0,1 Gramm Schritten auf zwei programmierbaren virtuellen Knöpfen gespeichert werden. Haben Waage, Maschine und App sich einmal eingegroovt, so funktioniert das Zusammenspiel von Waage und Maschine auch ohne App. Es wird dann jeweils die letzte eingestellte Dosierungsmenge reproduziert.
Ebenfalls einstellen lässt sich die Spülfunktion der Linea Mini-R. Wird das Paddle kurz aktiviert, spült die Espressomaschine eine definierte Zeit. Eine nette Funktion, um mit etwas Zeitreduzierung zu flushen.
Die App hat eine eher träge Übertragung an die Maschine. Es braucht rund eine halbe Sekunde, bis Einstellungen wie die Temperaturveränderung oder Umstellung der Volumenmenge übertragen sind. Das fühlt sich in Zeiten von unmittelbarer Reaktion von Programmen nostalgisch an, wie die Befehlsgabe bei Windows XP, ist aber verkraftbar. Die Login- und Account-Pflicht nervt da schon mehr. Ja, ihr habt richtig gehört.
Um App und damit auch die Espressomaschine bedienen zu können, braucht es zunächst einen La Marzocco-Nutzer-Account. Der wird entweder über eine Emailadresse oder über einen Google-Account erstellt. Was schon in der Vergangenheit gewaltig genervt hat, nervt heute immer noch. Immerhin funktioniert die Maschine heute auch ohne Wifi, wenn sie einmal konfiguriert ist. Das jedenfalls ist ein guter Entwicklungsschritt der App!
Vorbrühung und Preinfusion
Wird die Linea Mini-R an das Festwasser angeschlossen, was ebenso wie die Montierung des Abwasserrohres möglich ist, wird die Option einer Preinfusion freigeschaltet. Bei aktivierter Preinfusion wird mit dem Wasserleitungsdruck, der in vielen Haushalten bei rund 3 Bar liegt, der Kaffee vorbenässt. Es wird also nicht die Pumpe aktiviert und damit der volle Brühdruck auf den Kuchen gegeben. Die Vorbrühungszeit kann selbst gewählt werden. Auf diese Art wird insbesondere auch bei schlechterer Puck-Vorbereitung oder Mühlen mit ausgeprägterer Klumpung eine gleichmäßigere Extraktion unterstützt.
Die Vorbrühung ist eine Spielart der Vorbenässung und bei der La Marzocco Linea Mini-R leicht anders gelöst als bei anderen Espressomaschinen. Die Vorbrühung besteht im Prinzip aus einer Aktivierung der Pumpe für eine definierbare Zeit. Es wird also voller Druck aufgebaut und auf den Kaffeekuchen geliefert. Anschließend kann eine Pausenzeit eingestellt werden. Beispielhaft können wir 3 Sekunden Wasser liefern, dann 6 Sekunden Pause schalten, um dann anschließend wieder mit Pumpendruck Brühwasser zu liefern.
Speziell an der Konstruktion der Linea Mini-R ist, dass durch die Integration eines zweiten Magnetventils das Vorbrühungswasser nicht entlastet wird. Welche genauere geschmackliche Implikation das hat, werden wir noch in einer für sich stehenden Testreihe untersuchen. Die bisher von uns bezogenen Espresso mit Vorbrühung und ohne waren jedenfalls exzellent.
Fazit La Marzocco Linea Mini-R
La Marzocco hat sich angestrengt mit der Linea Mini-R einen guten Zwischenplatz im Maschinenpark zwischen Micra und GS3 zu finden. Und die Linea Mini-R ist auch eine wirklich gute Espressomaschine geworden. Ich würde sie sehr vielen anderen Espressomaschinen auf dem Markt vorziehen, weil sie so gut performt, kraftvoll ist und auch optisch etwas her macht. Und das nicht nur, weil La Marzocco auf der Front steht (siehe auch Artikel zur Übernahme von La Marzocco durch Delonghi).
Für sich genommen ist vieles wirklich sehr gut an der Linea Mini-R.
- Sehr gute Dampfperfomance
- Sehr gute Temperaturkonstanz
- Nach Kalibrierung gute Konstanz der Volumen bei Nutzung der Waage
- Verbesserungen wie z.B. Integration eines Shottimers, Nutzung ohne Wifi (wenn einmal verbunden), etc.
Und doch sind die verpassten Chancen gewichtig. Während Altlasten wie das Temperaturrad nun aufgelöst wurden, verhindern andere einen kompletten Neugriff der Maschine. Zwar war das auch nicht das Ziel und doch wirkt die oberflächliche Integration der Waage oder auch die Funktion den Dampfboiler einzuschalten wie nachträglich hinzugefügt, ohne tief in die Konzipierung zu gehen. Der Arbeitsablauf mit Waage könnte soviel besser sein, wäre diese sauber unterhalb der Tropfschale integriert. Der Dampfboiler lässt sich zwar ausschalten und somit auch Strom sparen, allerdings ist die Temperaturperformance der La Marzocco Linea Mini-R dann plötzlich zweitklassig. Wenn eine Elite-Hersteller aber mit der Funktion "Dampfboiler Ausschalten" mir aber suggeriert, dass diese Funktion möglich ist, dann erwarten wir dort auch Leistung. Das haben wir schon bei der ersten Version der Baby T Plus scharf kritisiert und muss hier genauso deutlich angesprochen werden. Ascaso hat damals reagiert und die Kopplung von Dampfboiler und Thermoblock überarbeitet. Schauen wir, wohin die Reise mit La Marzocco und der Linea Mini-R geht.
Wir werden jedenfalls nun noch etwas mit der Vorbrühung spielen und bei Zeiten diesen Artikel noch einmal ergänzen.