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    Compadre italienischer Espresso

    Compadre. Unser italienischer Espresso

    Nach fast zehn Jahren Rösten haben wir uns an den heiligen Kaffee-Gral gewagt. Wir haben unsere Interpretation eines italienischen Espressos herausgebracht – den Compadre.

    Der Compadre ist ein 50/50-Blend aus Arabica und Conilon, dem brasilianischen Robusta. Beide Kaffees stammen von familiengeführten Kaffeefarmen in Espírito Santo, Brasilien. Den Kaffee rösten wir sehr dunkel, betonen die kräftigen Noten des Conilons und finden würzige, tabakige Aromen. Der Arabica gibt dem Kaffee Textur sowie dunkel-schokoladige und nussigere Töne. 

    Zum Compadre

    Aus den Montanhas Capixabas, der Bergregion von Espírito Santo, stammt der Arabica-Anteil

    Wir haben den Kaffee zusammen mit unseren Partnern von Farmers Coffee entwickelt. Ich war im Herbst 2023 zu Besuch und war beeindruckt von dem Drive, den die Jungunternehmer und Söhne von Kaffeebauern haben. Sie fokussieren sich auf hochqualitative Conilons und Arabicas aus den Bergen von Espírito Santo. Wir haben Arabica-Farmen auf 1200 Metern und Conilon-Farmen auf 80 Metern über Meer besucht. Die Topographie ist beeindruckend.

    Zu Besuch bei Farmers Coffee in Venda Nova do Imigrante, Herbst 2023

    Der Conilon-Anteil stammt aus dem nördlichen Teil von Espírito Santo und wird auf 80 Metern über Meer angebaut

    Espírito Santo hat eine Geschichte, die stark von Immigration geprägt ist. Viele italienische Familien sind Ende des 19. Jahrhunderts eingewandert, haben in der Kaffeeproduktion gearbeitet und nach und nach Kaffeefarmen übernommen.

    Die zwei Familien, die ihren Kaffee für den Compadre beisteuern, haben ebenfalls italienische Wurzeln: Die Romãos produzieren ihren pulped natural Arabica in der bergigen Region um Castelo, während die Magieros in den Ebenen von São Mateus im Norden von Espírito Santo ihren pulped natural Conilon herstellen.

     

    Die Romão-Familie steuert den Arabica-Teil für den Blend bei

    Wenn man so möchte, schliesst sich ein sehr grosser, historischer Kreis: Der Kaffee der beiden Familien mit italienischen Wurzeln landet nun in einem Espresso nach italienischem Vorbild.

    Farmers Coffee sortiert die beiden Kaffees in ihrem Lager und mischt sie im 50/50-Verhältnis im Kaffeesack. So gleicht sich die Feuchtigkeit der beiden Rohkaffees bereits im Sack an. Die 30-kg-Säcke kommen so bei uns in der Rösterei an und werden als kompletter, bereits gemischter Kaffee geröstet.

    Die Röstung

    Wir haben uns für eine mittellange und heisse Röstung entschieden. Den Henrique- oder Apas-Espresso rösten wir etwas länger, jedoch haben wir beim Compadre die höchste Endtemperatur auf unserem Röster. Mit dieser hohen Endtemperatur betonen wir die röstigeren, kräftigen Noten. Kurz vor dem zweiten Crack beenden wir die Röstung.

    Was ist italienischer Espresso?

    Im Herbst 2024 haben wir ein Video und einen Blog zu den 20 besten italienischen Espressi veröffentlicht. Die Auswahl der zu verkostenden Kaffees hat unsere Community gemacht, es es gingen über 2000 Stimmen ein.

    In dieser komplexen und langen Verkostung wurde uns eines klar: Den italienischen Espresso gibt es so eigentlich nicht. Es gibt die Tendenz, dass im Norden mehr Arabica und im Süden mehr Robusta verwendet wird. Ebenso haben wir gesehen, dass Röstereien im Norden etwas heller rösten, während Röstereien im Süden die dunkle Röstung bevorzugen.

    Das Bild vom „klassischen italienischen Espresso“ wird oft bemüht, aber Einigkeit herrscht wohl eher bei der Betrachtung von außen. Da hören wir oft, dass der Kaffee nach dem Gotthardtunnel oder nach der Überquerung des Brennerpasses einfach gleich viel besser schmecke.

    Es ist möglich, dass die Vorfreude, das Feriengefühl, der Anblick der Maschine und bekannten Bohnenbrands in diesem Augenblick ihren Einfluss haben – sodass der Espresso anders wahrgenommen wird, als wenn er zu Hause zubereitet wird.

    Aber, so glauben wir, ist es vor allem das Verhältnis der eingesetzten Menge Kaffeepulver zur Extraktionsmenge in der Tasse: das Getränkeverhältnis. Dieses unterscheidet sich deutlich von dem, was nördlich der Alpen üblich ist. Während wir in unseren Cafés Getränkeverhältnisse von 1:2,2 bis 1:2,4 bevorzugen, ist 1:2 in vielen italienischen Caffè-Bars schon fast ein zu langer Espresso. 1:1,5 dient oft als Referenz, also 1 Teil Kaffee auf 1,5 Teile Wasser – zum Beispiel 17 g Kaffeepulver und 25,5 g Espressomenge in der Tasse.

    Das ist kurz und stark. Und oft auch deutlich günstiger – nicht wegen der ausgeschenkten Mengen, sondern wegen anderer Lohn- und Preisgefüge.

    Wer nördlich der Alpen einen Espresso im Verhältnis 1:1,5 ausschenkt und dann doppelt oder dreifach so viel wie in Italien verlangt, erntet oft einen grimmigen Blick. Dabei wäre der Kaffee nun vielleicht sensorisch optimiert. Wenn ein Kunde dann „mehr fürs Geld“ möchte, wird die Extraktion verlängert (mehr Wasser fließt durch das Kaffeepulver), bei gleichbleibender Pulvermenge. So entstehen wässrige Espressi, die weit weg vom vorgestellten Ideal sind.

    Dério Brioschi, einer der Gründer von Farmers Coffee, haben wir in Genf an der World of Coffee 2025 getroffen.

    Wie würden wir ihn zubereiten?

    Wir entwickeln gerade verschiedene Rezepturen. Viele Fans von italienischen Espressi arbeiten mit Handhebelmaschinen, weshalb wir auch ein Rezept dafür entwickeln möchten.

    Für ein klassisches 9-bar-Profil arbeiten wir in einem Brühverhältnis von 1:1,8 bis 1:2 in mindestens 27 Sekunden. Wer eine hohe Intensität im Geschmack und einen schweren Körper anpeilt, extrahiert den Kaffee kürzer, also in Richtung 1:1,8. Wer den Kaffee etwas mehr in Balance bringen und ein paar karamelligere Töne hervorheben möchte, kann sich an 1:2 orientieren.

    Wir sind gespannt auf eure Rezepturen – kommentiert sie doch gerne hier.

     

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