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    Espressomühlen Timemore Sculptor 78s und 64s im Test

    Espressomühlen Timemore Sculptor 78s und 64s im Test

    Die beiden Espressomühlen Sculptor 78s und Sculptor 64s von Timemore hinterlassen im Test einen sehr guten Eindruck. Im Video besprechen wir beide Mühlen ausführlich und stellen die jeweiligen Stärken und Schwächen vor. Beide Timemore Sculptor Mühlen sind als Single Dosing konzipiert. 

    >Kurzfassung vorweg: Beide liefern extrem reproduzierbar, mit sehr schmalem Hauptpeak in der Partikelverteilung – das ist selten, erst recht in dieser Preisklasse.

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    Design & Verarbeitung

    Obwohl die 78S und die 64S optisch sehr ähnlich erscheinen, verbergen sich unter der Oberfläche signifikante Unterschiede. Die 78S ist ein wahres Kraftpaket und wiegt mit 7,9 Kilogramm fast das Doppelte der 64S (3,8 Kilogramm). Diese Diskrepanz zieht sich durch alle Komponenten, vom Motor über die Mahlscheiben bis hin zum Deckel. Das massive Grundgehäuse empfinden wir bei beiden Mühlen als sehr hochwertig, ebenso wie der groß dimensionierte Startknopf.

    Der Unterschied in der Bauweise zeigt sich am deutlichsten in der Motorleistung und der Akustik. Die 78S verfügt über einen 400 Watt Motor und 78-Millimeter-Mahlscheiben, während die 64S mit einem 150 Watt Motor und 64-Millimeter-Scheiben ausgestattet ist. Beide Mühlen sind zwar ähnlich leise (78S: 74,9 dB; 64S: 76,7 dB), doch die Klangqualität ist eklatant unterschiedlich. Die 78S klingt satt, zieht den Mahlvorgang in einem Zug durch und erinnert in ihrer Akustik an ein „Elektroauto“. Die 64S hingegen klingt eher wie eine „Kinder-Mähmaschine“ oder ein „Renault Clio 2001er Jahrgang“. Bei dichten, hellen Röstungen kommt die 64S hörbar an ihre Grenzen, während die 78S mühelos arbeitet.

    Tatsächlich korreliert die Motorisierung direkt mit der Mahlgeschwindigkeit. Die 78S mahlt beeindruckende 21,6 Gramm in 10 Sekunden, was im Heim-Barista-Bereich als schnell gilt. Die 64S ist mit nur 12,4 Gramm in 10 Sekunden deutlich langsamer. Die 78S ist somit die kompromisslosere Wahl für Baristas, die extrem dichte Kaffees mahlen und ein hohes Drehmoment erwarten.

    Die Diskrepanz in der Materialität zeigt sich leider bei den Peripheriegeräten, insbesondere beim Dosing Cup der 64S. Obwohl die Mahlleistung der 64S sensorisch sehr gut ist – ein „Spielzeug, das gut funktioniert“ – ist die Verarbeitung des Bechers schwach. Wir kritisieren hier die glänzende, scharfe Kante oben, da es sich um ein unsauber geschnittenes Metallrohr handelt, das nicht einmal gerade ist. Dies ist ein offensichtliches Zeichen, wo Abstriche gemacht wurden, um den günstigeren Preis zu halten. Beide Becher verfügen jedoch über eine nützliche Magnetfunktion, die bei der schwereren 78S sehr „smooth“ funktioniert

    Bedienung & Alltagstauglichkeit

    Single Dosing, so wie es sein soll: 18 g rein, 18 g raus – durch alle Bezüge hinweg. In unseren Tests gab es praktisch keine Streuung; eine der geringsten Totraum-Messungen die wir bisher gemacht haben!

    Ab und zu kann bei RDT eine Bohne auf dem Bohnenschat hängen bleiben. Drückt man erneut Start-Stop, so lösen sich auch diese Bohnen. Der Temperaturanstieg unter Serienbezug ist gering. 

    Geschwindigkeit und Lautstärke (mit Apas) aus unserem Messprotokoll:

    • 78S: 21,6 g/10 s, ~14 s für 18 g, 74,9 dB
    • 64S: 12,4 g/10 s, ~20,5 s für 18 g, 76,7 dB.

    Preise zum Messzeitpunkt: ca. 899 € (78S) bzw. 699 € (64S).

    Der Dosing Cup: Ein Workflow-Killer

    Der größte Mangel im gesamten Alltagsworkflow ist der mitgelieferte Dosing Cup, der unserer Meinung nach „nicht extraktionsförderlich“ ist. Wenn der Becher direkt in den Siebträger gestülpt wird, hinterlässt der dicke Rand des Bechers beim Herausziehen eine ringförmige „Zermatt-Hügellandschaft“ auf dem Kaffeepuck.

    Diese ungleichmäßige Verteilung am Rand fördert massives Channeling, selbst wenn wir vor dem Tampen ein präzises WDT-Tool verwendet haben. Wir mussten deshalb unseren Workflow ändern und empfehlen Nutzern dringend, den Becher nicht direkt zu verwenden. Man muss entweder den Kaffee in einen zweiten Becher umfüllen und sieben oder ein hochwertigeres Aufsetzgefäß verwenden, um eine homogene Verteilung im Siebträger zu gewährleisten. Dieses vermeidbare Detail konterkariert den sonst perfekten Single-Dosing-Workflow der Mühle und kann die Gesamtkosten durch die notwendige Anschaffung eines Ersatz-Dosing-Cups erhöhen.

    Die Single-Dosing-Perfektion

    Die Sculptor-Modelle setzen neue Maßstäbe für die Single-Dosing-Performance. Der austauschbare Totraum (temporäre Retention) liegt bei nur 0,1 Gramm. Dies ist der mit Abstand beste Wert in unserem Single-Dosing-Vergleich. Wir konnten konstant 18 Gramm Bohnen in 18 Gramm Mahlgut überführen.

    Dieser Erfolg ist der vertikalen Mahlscheibenanordnung und dem geraden, direkten Mahlpfad zu verdanken. Zudem verfügen die Mühlen über einen „total cleveren Mechanismus“ am Auswurf. Durch Drehen an diesem Rad werden Reste und Silberhäutchen entfernt, was die Kammer effektiv leert und einen separaten Blasebalg (Blower) überflüssig macht, um auf die Null-Retention zu kommen. Ein weiterer Faktor, der diese geringe Retention ermöglicht, ist die festgestellte niedrige statische Aufladung des Mahlguts. Geringe Statik verhindert, dass Feinstpartikel und Kaffeestaub an den Innenwänden haften bleiben. Der geringe temporäre Totraum ist somit das Ergebnis eines Zusammenspiels aus mechanisch optimalem Mahlpfad und minimierter elektrostatischer Anhaftung.

    Partikelverteilungsmessung und Vergleich

    Die Sculptor-Mühlen sind in Bezug auf die Partikelverteilung Extremisten. Sie liefern ein Mahlgutprofil, das in unserem gesamten Testfeld einzigartig ist. Die Breite des Hauptpeaks ist extrem schmal: Die 64S erreicht 144 Mikrometer, die 78S 155 Mikrometer. Dies sind mit die geringsten Werte, die wir je in einem Mühlentest gemessen haben. Man könnte das Hauptpeak als „Turm“ bezeichnen – eine sehr präzise Ansammlung von Partikeln gleicher Größe.

    Das Paradoxon der Feins

    Ein derart schmaler Hauptpeak steht in engem Zusammenhang mit dem Feinanteil. Obwohl die Homogenität der Hauptpartikel sehr hoch ist, liegt der Feinanteil unter 100 Mikrometer bei knapp 30 Prozent.

    Normalerweise würde ein hoher Feinanteil zu Unklarheit oder Sandigkeit führen. Hier erfüllt der Feinanteil jedoch eine andere Funktion: Er erzeugt den notwendigen Widerstand (Puck Resistance) gegenüber der Pumpenleistung, da der extrem homogene Hauptpeak dies allein nicht leisten könnte. Die hohe Klarheit, die wir sensorisch feststellen konnten, kommt daher, dass die Partikel des Hauptpeaks nahezu perfekt extrahiert werden, während die Feins die Poren des Kaffeepucks abdichten.

    Sensorisch resultiert dies in einer „sehr geilen Mischung“ aus Klarheit, Komplexität und einer genialen Textur, da die Feins auch zum Körper beitragen können. Die Partikelverteilung der 64S ist sogar minimal schmaler (144 µm), was möglicherweise die im Test festgestellte höhere Differenzierung im Espresso erklärt.

    Dieses Profil zwingt den Barista jedoch, sehr fein zu mahlen, was das Extraktionsverhalten unberechenbar macht: Oft erleben wir einen sehr langen Druckaufbau (12 bis 14 Sekunden), gefolgt von einem schnellen Durchschießen. Die Nutzung dieser Mühlen erfordert daher zwingend eine präzise Puck-Vorbereitung (WDT) und wird am besten durch fortschrittliche Maschinentechnologie wie Druck- oder Flussprofile unterstützt.

    • 78S: mehr Differenzierung und „Saftigkeit“, etwas weniger Körper.
    • 64S: etwas satterer Körper, im Nachgeschmack schlichter.

    In Summe: sehr gute Espressi, die Komplexität sicht- und schmeckbar machen. Die Partikelverteilung der beiden Mühlen ist herausragend, aber auch anspruchsvoll. Um mit diesem schmalen Hauptpeak zu brühen, muss sehr fein gemahlen werden. Das bedeutet auch, dass die Puckvorbereitung des Mahlgutes perfekt sein muss.

    Wir empfehlen die Mühle anspruchsvollen und fortgeschrittenen Home Baristas, die im Idealfall mit ihrer Espressomaschine Druck- oder Flussprofile fahren können. 

    vergleich pv 78s 64s

    Rotation per Minute (RPM)

    Beide Mühlen Verfügung über die Möglichkeit, dass die Geschwindigkeit der Mahlscheiben eingestellt werden kann. Diese Funktion wird in RPM, englisch Rotation per Minute, angegeben. Die Gelegenheit haben wir beim Schopf ergriffen und einige Tests mit unterschiedlichen RPM durchgeführt. Wir haben die Extraktion, die Partikelverteilung und den Geschmack überprüft.

    rpm sculptor timemore

    Die Werte in der Partikelverteilungsmessung unterscheiden sich nicht deutlich. Wir haben bei höherer RPM von 1400 auf der Timemore Sculptor 78s ein leicht schmaleres Hauptpeak und (10 Micron) und etwas mehr Feinanteil (1,4 %) gemessen. Sensorisch passte das ins Bild, da die Bezüge mit höherer RPM klarer und runder geschmeckt haben.

    Die sensorische Einschätzung der Mühlen für Espresso haben wir mit der schnellsten RPM vorgenommen. Filterkaffees haben uns mit niedrigerer RPM geschmeckt. Dazu werden wir einen weiteren Testbericht als Video veröffentlichen.

    rpm vergleich 64s 78s

    Vergleich im 500–1000-€-Feld

    Die Timemore Sculptor S-Modelle positionieren sich als die „Klarheits-Extremisten“ im Single-Dosing-Segment zwischen 500 und 1000 Euro. Sie bieten einen direkten Kontrast zu anderen dominanten Mühlen auf dem Markt. Der offensichtlichste Gegensatz ist die Niche Zero, die mit ihrem konischen Mahlwerk auf ein breiteres Hauptpeak, wenig Feins, und die Betonung von Süße und Körper ausgelegt ist. Die Sculptor verfolgt das entgegengesetzte Ziel: maximale Klarheit und Komplexität.

    Kriterium Timemore Sculptor S Niche Zero (Konisch) DF-Serien (Flach, 64/83mm)
    Mahlwerkprofil Extrem schmaler Peak (144-155 µm) Breiter Peak (ca. 255 µm) [1] Mittel bis Schmal (je nach Malscheibe)
    Geschmack Klarheit, Komplexität, Saftigkeit [1] Süße, Körper, Balance [1] Flexibel, spielbar
    Retention (Temporär) Exzellent (0,1 g) [1] Sehr gut (0,2 g) [1] Gut (0,3 g+) [1]
    Lautstärke Leise (~75 dB) [Image 1] Sehr leise (~72 dB) [1] Mittel bis Laut (DF83V > 90 dB) [1]

    Die Sculptor-Mühlen verlangen aufgrund ihres engen Mahlgutprofils ein viel feineres Mahlen als beispielsweise die Niche Zero, um überhaupt den erforderlichen Widerstand zu erzielen. Dieses anspruchsvolle Extraktionsverhalten, das oft zu einem langen Stall führt, erfordert einen fortgeschrittenen Umgang mit der Espressomaschine. Die Sculptor-Modelle sind daher ideal für Baristas, die bereit sind, mit komplexen Maschinen (Druckprofilierung, Flow Control) zu arbeiten, um das volle Potenzial der extrem homogenen Partikel auszuschöpfen.

    Fazit Timemore Sculptor 78s und 64s

    Die Timemore Sculptor 78S und 64S sind technisch herausragende Geräte, die auf beeindruckende Weise zeigen, wie man mechanische Präzision zur Minimierung des Totraums nutzen kann. Sie machen in Sachen Single-Dosing „ganz viel gut und richtig“. Die Stärken der Sculptor-Serie sind unbestreitbar: Sie liefern die klassenbeste Retention (0,1 g temporär), eine exzellente Mahlgrad-Reproduzierbarkeit und eine extrem schmale Partikelverteilung, die ihresgleichen sucht und maximale Klarheit in der Tasse ermöglicht. Die Schwächen liegen jedoch in der Usability: Der Mahlgrad ist haptisch bei der 64s etwas fummelig für präzises Feintuning, und der mitgelieferte Dosing Cup ist ein „Workflow-Killer“, der durch seine Bauform Channeling am Rand des Kaffeepucks provoziert. Wir ordnen die Mühlen klar als Nerdgerät für den fortgeschrittenen Home Barista ein. Sie sind nichts für Anfänger, die eine einfache, fehlerverzeihende Bedienung suchen.

    • Die Sculptor 78S: Sie ist die kompromisslose Wahl. Der 400-Watt-Motor liefert die nötige Geschwindigkeit und Robustheit für dichte Röstungen. Wer maximale Leistung, Geschwindigkeit und eine robuste Bauweise wünscht, greift zur 78S.
    • Die Sculptor 64S: Sie ist die Überraschung in der Tasse. Für weniger Geld liefert sie fast dieselbe (minimal differenziertere) Tassenqualität wie die 78S. Man muss lediglich die geringere Geschwindigkeit (12,4 g/10s) und den schwächeren Motor akzeptieren. Wer das absolute Maximum an Klarheit im Mahlgut sucht und bereit ist, den Dosing Cup zu ersetzen und fokussiert zu arbeiten, findet in der 64S den günstigsten Einstieg in dieses High-End-Segment.

    Die Timemore Sculptor-Serie beweist, dass es möglich ist, Single-Dosing-Mühlen mit nahezu null Retention zu konstruieren und setzt damit einen neuen, hohen Maßstab für zukünftige Geräte im High-End-Segment.

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