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    Spezialitäten-Espresso auf der Mühle einstellen – wie geht das?

    Spezialitäten-Espresso auf der Mühle einstellen – wie geht das?

    Der Espresso ist kein einfaches Getränk. Der Spezialitäten-Espresso schon gar nicht. Was in der Tasse landet ist ein Konzentrat, intensiv und aromatisch. Damit der Espresso schmeckt, müssen viele kleine Details stimmen. Die Grundlagen der Espresso Zubereitung haben wir ausführlich hier erklärt.

    Gerade bei komplexeren Spezialitätenkaffees müssen wir die Espressomühle stark justieren, um einen balancierten Kaffee zu bekommen. Wie können wir also vorgehen, um zu einem süssen und balancierten Espresso zu gelangen, von dem wir auch einen zweiten trinken würden?

    Traditioneller Espresso und Spezialitäten-Espresso

    Zuerst müssen wir klären, was wir genau meinen, wenn wir von einem traditionellen Espresso und einem Spezialitäten-Espresso sprechen.

    Traditioneller Espresso: dunklere Röstung, limitierte Aromatik
    
    Spezialitäten Espresso: mittlere bis hellere Röstung, vielschichtige Aromatik

     

    Für beide Kategorien finden wir AnhängerInnen. Wer es gerne etwas „italienischer“ mag, ist beim traditionellen Espresso sicher gut aufgehoben. Oft stehen Röstnoten im Vordergrund, die Kaffees haben viel Körper, sind schwer und haben weniger Säure

    Spezialitäten-Espressi sind nach unserem Verständnis Kaffees, die

    • aus hochwertigeren, oft komplexeren Rohkaffees bestehen
    • in aller Regel mitteldunkel bis hell geröstet werden und so
    • auf intensive Röstnoten verzichten

    Auch noch interessant: was ist eigentlich Spezialitäten Kaffee?

    Was bedeutet das für die Extraktion?

    In unserem Versuch verkosteten wir zwei Kaffees aus unserer Rösterei miteinander. Der traditionellere Kaffee ist der Dreispitz, ein 3er-Blend zu jeweilig gleich grossen Teilen Brasilien, Nicaragua und Indien, mittel-dunkel geröstet.

    Der Spezialitäten-Espresso war der Leica, ein Honey-Processed Kaffee von unserer Finca Santa Rita in Nicaragua. Diesen Kaffee rösten wir deutlich heller als den Dreispitz.

    spezialitaeten espressoLinks: der Dreispitz – die dunklere Crema gibt Aufschluss auf den Röstgrad
    Rechts: der Leica – die hellere Crema deutet auf eine hellere Röstung

    Mühleneinstellung und Dosiermenge

    Das Rezept für die Extraktion ist:

    19g Pulvermenge, 54g Extraktionsmenge in der Tasse (resp. 27g pro Tasse)

    Für die erste Extraktion haben wir den gleichen feinen Mahlgrad gewählt.

    Extraktionszeit

    Interessanterweise schoss der Leica Spezialitätenespresso in etwas mehr als 20 Sekunden durch den Siebträger.

    Der traditionellere Dreispitz-Espresso aber brauchte mehr als 40 Sekunden, bis wir die 27g pro Espresso-Tasse erreichten. Der dunklere Espresso hatte also eine doppelt so lange Extraktionszeit bei gleichem Mahlgrad.

    Warum?

    Dunklere Röstung = brüchiger = mehr Feinteile = schnellere Aufnahme von Wasser = mehr Widerstand gegen Wasser = längere Extraktion

    Hellere Röstung = härtere Bohnen = weniger Feinteile = weniger schnell löslich = weniger Widerstand gegen Wasser = schnellere Extraktion

    Und was heisst das geschmacklich?

    Dreispitz in 41sec: flach, wenig Säure, dicht, nicht sehr rund, matt

    Leica in 20sec: viel Säure, wenig Süsse, etwas wässerig, herb

    espresso bezzera bz10Wir empfehlen immer, mit einer Grammwaage zu arbeiten. Gerade wenn ihr die Mühlen einstellt, seid ihr mit Waagen schnell und effizient.

    Was müssen wir nun ändern?

    Spezialitäten-Espresso Leica:

    Um aus einem hell gerösteten Spezialitäten-Espresso, der aus dichten Bohnen besteht, das Potenzial abzurufen, solltet ihr wirklich sehr fein mahlen.

    Wir haben unsere Anfim Practica-Espressomühle auf den fast feinsten Mahlgrad gestellt und damit die Extraktionszeit auf 26 Sekunden erhöht.

    Der Kaffee war nun rund, süss, die Säure integrierte sich sehr gut in die weiche Textur. Wir konnten nun deutlich mehr Geschmacksnoten feststellen und der Nachgeschmack war lang und süsslich.

    Traditioneller Espresso Dreispitz:

    Dunkler geröstete Kaffees machen in der Regel mehr Spass, wenn sie etwas kürzer extrahiert werden. Bei knapp 30sec sind wir mit dem Dreispitz in einer Zone, in welcher der Kaffee wirklich viel Spass macht.

    Wir haben deutlich grober gemahlen, 30sec extrahiert und der Kaffee schmeckte nun völlig anders.

    Der Kaffee war viel balancierter, hatte eine bright acidity, eine den Kaffee positiv aufhellende Säure, die von viel schwerer Süsse gestützt wurde. Die Textur war sirupig/cremig.

    Mit Gramm-Wagen arbeiten

    Links sehen wir 19g Dreispitz im Sieb, rechts sehen wir 19g Leica. Der dunkler geröstete Kaffee (links) nimmt deutlich mehr Volumen ein im Siebträger. Umso wichtiger ist es, mit Waagen zu arbeiten und sich nicht auf das blosse Auge zu verlassen.

    Also, ausprobieren, die Limits der Mühle und des Kaffees herauskitzeln, und erst dann den Kaffee bewerten. Wir nehmen aber auf jeden Fall mit: one size fits all stimmt für die Espresso-Einstellung nicht.


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