Gründe, Qualitäten, Unterschiede
Lesedauer: 7 Minuten. Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kurzblog. Zum ausführlichen Blogartikel gelangt ihr hier auf unserer Schweizer Seite.
Wer schon einmal Kaffee im Urlaub getrunken hat kennt das: Der Kaffee wird überall anders zubereitet und er schmeckt in anderen Ländern unterschiedlich. In Zentraleuropa gilt der dunkel geröstete Espresso als „richtiger Espresso“. Andererseits findet man z.B. in den USA Läden, in denen ein unterextrahierter heller überaus saurer Espresso häufig verkauft und von den Menschen gemocht wird.
Säure im Kaffee: alles eine Frage der Perspektive?
Geschmack ist angelernt. Das, was wir als lecker empfinden, ist Teil unserer Sozialisation und unserer Erfahrungen. Ob wir also Kaffee mit einem hohen Säureanteil mögen, hängt zum großen Teil auch davon ab, ob wir Säure im Kaffee gewohnt sind oder nicht. So kann ein Italiener über einen geringen Säureanteil schon das Gesicht verziehen, wohingegen ein Kaffeebauer aus Nicaragua ohne Säure den Espresso kaum herunter bekommt.
Säure im Kaffee spaltet die Geister und Gaumen
Deshalb ist es ratsam sich vorsichtig an säurebetonte Kaffees heranzuwagen. Nach ein paar säurebetonteren Espressi bemerkt man eventuell, dass bei säurearmen Kaffees nun die Spritzigkeit fehlt. Es geht nicht um Säure an sich, sondern um die Balance und Ausgewogenheit zwischen Säure und Süße. Falls du trotz einiger Versuche dennoch von der Säure Abstand nimmst, dann weißt du danach wenigstens, dass du es versucht hast.
Sauer oder Säure? Der pH-Wert von Kaffee
Es lohnt sich bei der Beschreibung von Säure im Kaffee auf das Englische zurückzugreifen. „Acidity“ (Säure) im Kaffee ist etwas wünschenswertes, wohingegen „sour“ (sauer) eine negative Beschreibung ist, die wir im Getränk vermeiden wollen. Sogenannte Acids können differenziert im Kaffee nachgewiesen werden. Es gibt bis zu 40 verschiedene.
Der Begriff Acidity (Säure) nimmt Bezug auf verschiedene Geschmacksnoten im Kaffee. „Sour“ (sauer) beschreibt hingegen den pH Wert des Kaffees.
Der pH Wert ist ein chemischer Wert, der angibt wie sauer eine Flüssigkeit ist. Kaffee liegt zwischen 4.85 und 5.1. Je niedriger der Wert, desto saurer ist die Flüssigkeit. So hat Tomatensaft einen Wert von 4, Limonade sogar 3. Ein Punkt auf der pH Skala macht einen Unterschied von x10 aus. So ist Limonade (pH 3) 100 mal so sauer wie Kaffee (pH 5).
Doch wirklich messbar sind die empfundenen Säureunterschiede im Kaffee nicht. Eine säurebetonte Röstung hat den gleichen pH Wert, wie eine dunkle, eher bittere Röstung.
Welche Säuren schmecken wir im Kaffee?
Von den 40 verschiedenen Säuren im Rohkaffee sind es vor allem Chlorogensäuren, die unser Getränk beeinflussen. Sie haben einen Anteil von 6-7% im Arabica und bis zu 10% im Robusta. Im Vergleich zum Koffein (1-2%) nehmen sie also viel Platz in unserem Getränk ein.
Diese Chlorogensäuren werden zum Teil bei der Röstung verändert und zerfallen zu bitter schmeckenden Chlorogensäureactonen, zum Teil bleiben sie jedoch auch erhalten. Je länger eine Bohne geröstet wird und je dunkler sie wird, desto weniger Säuren bleiben noch bestehen. Fünf Säuren bringen wir dir im Folgenden ein wenig näher.
- Zitronensäure: Tritt in jedem Kaffee auf, kommt natürlich im Stoffwechsel der Pflanze vor und schmeckt nach Zitrone, Limette, Orange.
- Apfelsäure: Schmecken nach Äpfel, Birnen oder Rhabarber. Ist etwas süffiger und balancierter als Zitronensäure.
- Phosphorsäure: Ist eine mineralische Säure. Ist etwas herber und prickelnder. Häufig finden wir sie in kenianischen Kaffees.
- Essigsäure: Eine fruchtige Säure, die jedoch nur sehr gering dosiert lecker ist.
- Milchsäure: Erinnert an die Säure im Quark. Herb, sauer und schwer.
Säuren werden dann interessant, wenn sie in Kombinationen auftreten. Wir sprechen dann von komplexen, vielschichtigen Säuren. Wenn die Säure nicht durch eine Süße belgeitet wird, ist der Kaffee meist minderwertig und schmeckt einfach nicht lecker. Ein Kaffee ganz ohne Säure schmeckt flach und leer. Ähnlich wie ein Weißwein ohne Säure.
Woher kommt die Säure im Kaffee?
Pflanze und Anbau
Die Kaffeepflanze wächst durch die sogenannte Zellatmung. Diese bringt auch die Kirschen hervor und erzeugt als Nebenprodukt die verschiedenen Säuren. Die Anbaubedingungen beeinflussen die Art und Menge der Säuren. Vor allem die Temperatur der Anbauregion ist hierbei entscheidend. Anbaugebiete, die weiter vom Äquator entfernt liegen, bringen durch ihre Klimabedingungen langsamer wachsende Kaffeepflanzen hervor. Diese langsam wachsenden Kaffeepflanzen sind mehr auf ihre Reproduktion fokussiert und bringen Kirschen hervor, die mehr Proteine, Zucker, Fette und auch Säuren beinhalten. Der Koffeingehalt dieser langsamer wachsenden Pflanzen ist hingegen geringer.
Arten und Varietäten
In Arabicas ist der Säuregehalt höher als in Robustas. Innerhalb dieser beiden Varietäten, gibt es noch viele Untergruppen. Parainemas, ein Hybrid aus Honduras, zeigt z.B. deutlich mehr zitronensäurige Noten. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Untergruppen sind jedoch eher gering und kaum herauszuschmecken.
Nachernteprozesse
Es gibt Unterschiede in der Nachbearbeitung von Kaffees. Nach dem Pflücken werden sie auf verschiedene Art und Weise weiterbehandelt. Entpulpte, fermentierte und gewaschene Kaffees können hierbei mehr Säure ausbilden als in der Kirsche getrocknete. Die Lagerung der Kirschen kann dann den Anteil an Essigsäure beeinflussen. Die Nachbereitung der Kaffees ändert aber weniger die Menge an Säuren, sondern fügt vielmehr neue Aromen zum Spektrum des Kaffees hinzu.
Rösten
Wie bereits beschrieben minimieren höhere Temperaturen und längere Röstzeiten die organischen Säuren in der Bohne. Die Essigsäure erreicht bei der Röstung zwar einen kurzen Peak, nimmt aber, ebenso wie die anderen Säuren, im Verlauf der Röstung ab. Je nachdem, was der Röster erreichen möchte, akzentuiert er durch seine Röstung die verschiedenen Säuren im Kaffee.
Zubereitung
Die oben beschriebenen Faktoren beeinflussen die Art der Säuren im Kaffee. Die Zubereitung hingegen beeinflusst die Menge der Säuren im Kaffee. Wichtige Parameter hierfür sind der Mahlgrad, die Brühtemperatur, der Brühdruck, die Durchlaufgeschwindigkeit und die Brühzeit.
Wasser
Die Härte des Wassers kann ebenfalls die Säure im Getränk beeinflussen. Hartes Wasser (mit hoher Alkalinität) puffert die Säuren ab und der Kaffee schmeckt eher fade. Wenn das bei dir der Fall sein sollte, lies dir unsere Berichte zum Thema Wasserfilterung durch.
Art des Getränkes: Säure im Espresso, Filter und Vollautomaten
Von entscheidender Bedeutung ist es auch, welches Getränk wir eigentlich trinken wollen. Durch die hohe Konzentration von gelösten Kaffeeteilchen, verzeiht ein Espresso nur wenige Fehler. Ist er durch die Art der Röstung oder Zubereitung zu sauer, dann zieht er dir die Schuhe aus. Säure im Filterkaffee hingegen kann sehr angenehm und erfrischend sein, da der Filterkaffee viel weniger gelöste Kaffeeteilchen pro Milliliter Getränk hat.
Wir verwenden in unseren säurebetonten Espressomischungen nur Bohnen, bei denen auch eine ausgeprägte Süße vorhanden ist. In diesem Zusammenspiel zwischen Säure und Süße entfalten die sauren Anteile ihre volle und köstliche Wirkung.
Vorsicht ist geboten, wenn ein säurebetonter Kaffee im Vollautomaten genutzt wird. Diese Geräte brühen den Kaffee meist unter 90°, was die Säure noch einmal deutlich betont. Wer also zu einer hellen Röstung greift, könnte es mit dem Vollautomaten schwer haben.
Wir Kaffeemacher:innen mögen Kaffees, die ihre Säure nicht verstecken. Deshalb arbeiten wir mit Rohkaffees, die diese Säure bereits mitbringen. Unsere Herausforderung ist es, die Säure positiv durch Süße in das Getränk einzubringen, um es spannend und vielschichtig zu machen.
Dennoch mag nicht jeder diese hellen Röstungen. Deshalb gibt es bei uns auch klassische nussig-schokoladige Röstungen, wie unseren APAS oder Henrique aus Brasilien.
Wir möchten der Säure im Kaffee den schlechten Ruf nehmen, deshalb versuchen wir Säure im Kaffee als etwas positives und aufregendes zu beschreiben. Da wir jedoch sicher sind, dass jeder Geschmack anders ist, sollte keiner den anderen krampfhaft davon überzeugen, dass Säure im Kaffee ausschließlich gut ist. Vielleicht sollten die alten Diskussionen um Säure und Bitterkeit vielmehr durch eine neue Art über Kaffee zu sprechen ersetzt werden. Säure könnte so zum Beispiel durch Fruchtassoziationen beschrieben werden. In unserem El Colibri, einem peruanischen Kaffee, finden wir Weinsäure. Wer dabei an Wein denkt, wird den Kaffee sicher nicht probieren, wenn wir jedoch an Trauben denken, die ebenfalls voller Weinsäuren sind, kommen wir der Sache schon viel näher. Unser Plädoyer lautet also: Weg von der reinen Säure-Bitterkeitsdiskussion. Kaffee ist so viel mehr, als ein mehr oder weniger saures Getränk.