Der Espresso ist das das kürzeste und stärkste Getränk am Kaffee-Horizont. So klein die Tasse ist, so vielfältig sind die Mythen, Traditionen und Erwartungen, die sich um den perfekten Espresso ranken.
In diesem Artikel geht es um die Zubereitung von Espresso. Wir lassen die Geschichte beiseite und konzentrieren uns ganz darauf, wie mit einfachen Mitteln guten Espresso gebrüht werden kann.
Die Zubereitung von Espresso kann man am besten lernen, wenn man mit jemandem vor der Espressomaschine steht und gemeinsam ausprobiert und anschliessend den Kaffee verkostet. Dafür empfehlen wir euch unsere Barista Kurse. Da nicht jede und jeder nach Basel kommen will, haben wir einige Videos aufgezeichnet, die ebenfalls helfen, guten Espresso zuzubereiten. Ihr findet sie hier in diesem Artikel eingebettet.
Welcher Espressotyp bist du?
Das Erlebnis eines guten Espresso ist sehr, sehr subjektiv. Das liegt vor allem an der ausgeprägten Stärke von Espresso. Zwischen 7 und 10 % gelöster Kaffeeteilchen sind in der kleinen Tasse und machen das Getränk zu geballter Explosion von Geschmacksnoten. Wäre der Espresso zehn Mal weniger stark, dann würde er weniger herausfordern. Aber in dieser Konzentration zieht die Bitterkeit euch die Schuhe aus, wenn ihr auf Bitterkeit sensibel reagiert. Stösst euch Säure unangenehm auf, dann ist ein Espresso mit ausgeprägter Säure für euch zum Davonlaufen.
Ohne weiter darauf einzugehen, denn damit sind wir schon wieder beim Kontext und der Geschichte des Espressos: der Erfolg von Kapselkaffee ist neben dem Convenient-Prinzip damit zu erklären, dass der «Espresso» aus der Kapsel weniger konzentriert ist und dadurch einfacher vielen Menschen zusagt.
Der klassische, traditionelle Espresso aus der (süd)-italienischen Kaffeekultur bespielt eher die bitteren Facetten des Kaffees. Der zentraleuropäische, norditalienische Kaffee ist eher balanciert zwischen Süsse, Säure, Bitterkeit. Die Third Wave Bewegung und modernere Espressobars, die auf hellere Röstungen setzen, nutzen Röstungen die ausgeprägtere Säuren und viele Herkunftsnoten transportieren.
Das Prinzip der Zubereitung ist ähnlich. Unser Artikel «Welcher Kaffee schmeckt am besten?» kann bei der eigenen Einordnung helfen. Damit findet ihr heraus, was ihr für ein Kaffeetyp seid.
Die Unterscheidung ist sehr wichtig. Wenn euer zubereiteter Espresso euch zu sauer oder bitter ist, dann muss das nicht an eurer Zubereitung liegen. Der Grund liegt dann oft bei der Auswahl des gerösteten Kaffees.
Ausgangspunkt ist das Sieb – das Espresso-Kaffeeverhältnis
Es gibt verschiedene variablen, die euch reichlich durcheinander machen können, wenn ihr beginnt Espresso einzustellen. Deshalb empfehle ich euch: erstmal eine festlegen, und zwar die eingesetzte Kaffeepulvermenge.
Euer Sieb – dieser Artikel geht davon aus, dass ihr mit einer Espressomaschine arbeitet – ist für eine bestimmte Kaffeemenge gemacht. Teilweise ist die Kaffeemenge angegeben, z.B. bei einem 17er VST Sieb. Ist diese nicht angegeben, könnt ihr sie herausfinden. Der Siebträger sollte sich bei einem angemessenen Mahlgrad einfach einspannen lassen, ohne dass das Kaffeepulver das Duschsieb berührt. Es sollte noch etwas 2 – 5 ml Platz zwischen Kaffeebett und Dusche sein, damit sich das Pulver anfeuchten ausdehnen kann. Ist der Mahlgrad deutlich zu grob, ist das Volumen des Kaffees größer, deshalb schreibe ich angemessener Mahlgrad.
In diesem Guide brühen wir immer mit dem Doppelsieb für zwei Espressoportionen. Wir raten grundsätzlich zur Verwendung des Doppelsiebes, weil das geschmackliche Ergebnis immer besser ist. Die Geometrie des 1er-Siebes passt einfach nicht gut zur Espressomaschine und verhindert eine gleichmäßige Extraktion des gesamten Kaffeepulvers.
Wenn ihr keinerlei Informationen habt und unsicher über eure Siebgröße seid, dann startet bei einer Espressomaschine mit Faema E61 Brühgruppe mit einer Kaffeemenge von 17 Gramm. Bei Geräten wie der Delonghi Dedica EC 685 wären das aber mindestens 2-3 Gramm zu viel, was ihr aber sofort merkt, wenn ihr versucht die 17 Gramm aufzugeben.
Diese 17 Gramm fixieren wir bis auf weiteres. Ausgehend davon zielen wir auf eine Getränkemenge, die im Verhältnis zur eingesetzten Kaffeepulvermenge steht. Ihr benötigt auf jeden Fall eine Waage, um die folgenden Einstellungen vorzunehmen. Es geht auch mit einer Briefwaage. Gut ist, wenn die Waage relativ schnell auf Gewichtsveränderungen reagiert. Denn bei den nächsten Schritten werden wir auch die Menge des Espressos messen, die sich natürlich über die Extraktionszeit verändert.
Als nächstes müsst ihr für euch klären, ob ihr dickflüssige, starke Espressi mögt oder etwas schwächere, dafür einfacher zu balancierende Bezüge. Entscheidet ihr euch für die starke Variante Nr. 1, dann brühen wir in einem Verhältnis von 1:2, also dem Beispiel oben folgend 17 Gramm Kaffeepulver im Sieb und einer Zielmenge von 34 Gramm Espresso in der Tasse. Die schwächere Balance wäre eine Ratio von 1:2.5, also 17 Gramm Kaffeepulver in der Verwendung und 42.5 Gramm in den Espressotassen.
Wenn ihr Espresso von Kapselmaschinen oder vollautomatischen Kaffeemaschinen gewöhnt seid, dann könnt ihr auch mit einem Verhältnis von 1:3 arbeiten. Das Ergebnis ist dann immer noch stark im Vergleich zu den Espressi, die ihr gewöhnt seid.
Kaffee abwiegen und Ablauf beim Espresso
Ihr spannt den Siebträger aus, der durch die Maschine gut vorgewärmt ist. Siebträger sind im Lauf der Benutzung der Maschine am besten eingespannt, damit sich nicht abkühlen. Kalte Siebträger, ziehen die Temperatur des Brühwasser nach unten.
Verwendet einen Messbecher, um 17 Gramm Kaffee oder eure ausgewählte Kaffeemenge in den Messbecher zu mahlen. Diese Menge sollte präzise korrigiert werden, dafür wird zum Beispiel mit einem Löffelchen das Gewicht nachträglich angepasst.
Im späteren Verlauf könnt ihr die Mahlzeit eurer Mühle noch einstellen. Es macht jedoch jetzt noch keinen Sinn, da sich durch die Verstellung des Mahlgrades, die unweigerlich kommt, auch die Mahlmenge noch einmal verändern wird. Deshalb ist die einfachste Variante, die Kaffeemenge abzuwiegen. Wer mit einer Mühle wie der Sette 270 Wi oder einer Etzinger arbeitet, hat es nun leicht. Dort ist die Waage bereits verbaut.
Wir empfehlen meistens, beim Mahlgrad vom Status quo auszugehen. Verwendet einfach einmal, was die Mühle euch gerade hergibt. Solltet ihr genau wissen, dass ihr viel zu fein oder viel zu grob seid, könnt ihr natürlich auch jetzt schon Anpassungen des Mahlgrades machen. Sonst dazu mehr weiter unten im Text.
Anschließend gebt ihr die Kaffeemenge in euren Siebträger. Achtet darauf, dass das Kaffeepulver gleichmäßig verteilt ist, bevor ihr es durch Tampen verdichtet. Sonst besteht die Gefahr, dass das Brühwasser den Weg des geringsten Wiederstandes sucht. Diese Kanalbildung führ dazu, dass der Kaffee nicht gleichmässig extrahiert wird. Wir haben ein ausführliches Video zum Thema «Channeling» aufgezeichnet.
Mit einem kräftigen, gleichmäßigen Andrücken verdichtet ihr den Kaffee. Es ist nicht Match-entscheidend, ob ihr 8, 12 oder 15 kg fest drückt. Wichtiger ist, dass ihr in etwa immer gleich fest anpresst. Und wenn ihr ungefähr in dieser Range liegt, dann passt das.
Nun spannt ihr den Siebträger ein, stellt eine Espresso-Tasse auf die Waage unter den Auslauf und die andere daneben und startet die Extraktion. Dabei behaltet ihr die Uhr der Waage im Auge oder zählt in Gedanken die Sekunden mit.
Ihr stoppt die Extraktion, kurz bevor das angepeilte Getränkeverhältnis erreicht ist, also die gewünschten 34 oder 42.5 Gramm in der Tasse gelandet sind. Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser durch den Kaffee geflossen ist, gibt euch eine Referenz über euren Mahlgrad und die nächsten Schritte.
War euer Espresso in weniger als 15 Sekunden in der Tasse, dann lief der Kaffee ganz bestimmt zu schnell. Dauerte die Extraktion länger als 40 Sekunden, dann ist das mit großer Wahrscheinlichkeit zu langsam. In diesen Fällen müssen wir Korrekturen am Mahlgrad vornehmen. Seid ihr in einer engeren Range, dann beginnt schon das Fine Tuning.
Den Mahlgrad für Espresso finden
Kaffeepulver im Sieb bildet einen natürlichen Widerstand für das durchfließende Wasser. Je feiner gemahlen wird, desto grösser ist der Widerstand und desto schwerer ist es für das Wasser durch das Kaffeepulver zu fließen. Ein gutes Beispiel für einen sehr feinen Mahlgrad ist Mehl. Wenn wir beim Backen in einem Mehlhaufen eine Kuhle formen, können wir sogar Wasser in die Kuhle gießen, ohne dass es einen Weg herausfindet. Außer wir geben es zu stark auf und ein Kanal entsteht – womit wir wieder beim Channeling wären.
Je gröber der Kaffee gemahlen ist, desto einfacher ist es für das Wasser durch den Kaffee zu fließen. Machen wir das Haufenbeispiel mit Hirse oder Reis, dann bricht das Wasser direkt hervor und setzt die Arbeitsplatte unter Wasser. Egal wie fest wir Pressen, die Körnung ist zu grob.
Der richtige Mahlgrad für Espresso schafft einen geeigneten Widerstand, so dass das Brühwasser nicht zu wenig und nicht zu viel aufgehalten wird. Und diesen Mahlgrad suchen wir mit den nächsten Schritten.
Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch die verwendete Espressomühle, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen wollen. Wichtig ist aber: nicht jede Kaffeemühle ist geeignet, um «espressofein» zu mahlen.
Ist euer Espresso zu schnell gelaufen?
Wenn euer Espresso deutlich zu schnell gelaufen ist, dann stellen wir die Mühle feiner. Je nach Mühle hat die Verstellung von 1 bis 2 Ziffern schon eine große Auswirkung. Beginnt zunächst langsam, um ein Gefühl für eure Mühle zu entwickeln.
Wichtig: wenn ihr die Mühle feinstellt, niemals zu viele Stufen auf einmal feiner stellen, ohne zwischendurch zu mahlen. Sonst besteht die Gefahr, dass eure Mahlscheiben verkannten.
Nach dem ihr nun feiner gestellt habt (bei vielen Mühlen bedeutet feiner, dass die Ziffern der Mühle abnehmen, also z.B. von Mahlgrad 5 auf 4), mahlt ihr mindestens eine Dosiermenge in euren Messbecher und schüttet diese weg. Dieser Kaffee entspricht noch nicht eurem «neuen Mahlgrad», sondern noch dem Mahlgrad irgendwo zwischen dem alten und neuen.
Nun mahlt ihr wieder die 17 Gramm Kaffee in den Siebträger und folgt dem gleichen Prozedere wie oben. Wenn alles richtig verlaufen ist, sollte euer Espresso nun langsamer laufen. Geklappt?
Ist euer Espresso zu langsam gelaufen?
Wenn euer Espresso deutlich zu langsam gelaufen ist, dann war der Mahlgrad zu fein. Wir müssen als die Mühle gröber stellen. Bei den meisten Mühlen bedeutet gröber, dass die Ziffern der Mahlgradanzeige grösser werden, also z.B. von Mahlgrad 5 auf 6.
Mahlt mindestens einen Messbecher Kaffee aus, den ihr nicht verwendet. Diese Menge Kaffee entspricht nicht eurem neuen Zielmahlgrad, sondern einer Mischung zwischen altem und neuem Mahlgrad.
Ihr mahlt erneut 17 Gramm Kaffee ab und brüht einen Espresso nach dem Prozedere oben. Der Kaffee sollte nun schneller laufen.
Natürlich spielt auch die Brühtemperatur eine wichtige Rolle. Da aber diese bei den meisten Siebträgermaschinen unter 2000 CHF/Euro fixiert ist, sind wir in diesem Artikel nicht weiter darauf eingegangen. Ein gute Brühtemperatur liegt bei rund 94 Grad und kann kann auch je nach Röstung angepasst werden.Die Feineinstellung des Espresso
Durch die Veränderung des Mahlgrades hat sich der Widerstand im Sieb verändert und die Geschwindigkeit des Wasserdurchflusses. Da ihr diese Verstellung gemeistert habt, können wir nun zur Feineinstellung kommen.
Vielleicht hat euer Espresso bereits eine Extraktionszeit von 20 – 30 Sekunden erreicht. Die meisten Kaffees schmecken in diesem Bereich gut. Gut schmeckt Espresso, wenn er balanciert ist. Im balancierten Zustand schmeckt ein Espresso von sich aus süß.
Bei dunkleren Röstungen findet man die Balance des Espressos oft bei kürzeren Extraktionszeiten von 20 – 25 Sekunden. Bei helleren Röstungen ist ein guter Zielbereich eher bei 25 – 30 Sekunden. Mit solchen Zahlen lehne ich mich stark aus dem Fenster, weil Kaffee so unterschiedlich schmecken kann. Das lässt sich nicht aus der Entfernung auf die Sekunden oder das Gramm diagnostizieren. Letztendlich findet ihr die Wahrheit in der Tasse.
Um die Feineinstellungen vorzunehmen, habt ihr verschiedene Möglichkeiten. Hier einige Leitlinien:
- Kürzere Extraktionen betonen eher die Säure des Kaffees. Deshalb ist das bei Kaffees, die von sich aus schon viel Fruchtsäure haben, oft nicht der richtige Weg (heller Röstungen, Kaffees aus Äthiopien oder Kenia).
- Längere Extraktionen betonen die Bitterkeit und die schwere des Mundgefühls (Körper). Deshalb ist eine lange Extraktion bei Kaffees, die von sich aus eher bitter sind, oft nicht gut geeignet, um zur Balance zu kommen.
- Ist euer Kaffee zu wässrig, könnt ich das Getränke-Kaffee-Verhältnis verändern. Habt ihr mit 1:2.5 gebrüht, könnt ihr die Menge in der Tasse Schritt für Schritt reduzieren. Achtung, um noch in einer passenden Brühzeit zu landen, muss natürlich auch der Mahlgrad angepasst werden (feiner stellen).
- Ist euer Kaffee zu stark (konzentriert), könnt ihr das Getränke-Kaffee-Verhältnis erhöhen, also z.B. auf 1:3 wechseln. Die Mühle sollte dann gröber gestellt werden, damit die höhere Wassermenge noch in einer angemessenen Zeit durch den Kaffeekuchen fließt.
Solltet ihr euren «perfekten Espresso» gebrüht haben, könnt ihr die Mahlmenge auf eurer Mühle programmieren. Denn dann ist zunächst keine weitere Anpassung vorzunehmen.
Dann viel Spaß beim Espresso probieren und Experimentieren. In fast allen Fällen müsst ihr die Mühle umstellen, wenn ihr den Kaffee wechselt und auch von Tag zu Tag kann es zu Schwankungen kommen. Wundert euch nicht – das ist normal!
Solltet ihr noch nicht am Ziel sein oder ihr Schwankungen feststellen, schaut euch unbedingt das Video unten zu den 20 Gründen an, warum ein Espresso nicht schmeckt.
Wenn ihr nicht weiterkommt, dann schreibt uns oder abonniert unsere Kaffee-Infos. Wir verschicken regelmäßig Tipps, Tricks, Anleitungen und werden in Zukunft auch Kurse an unterschiedlichen Ort geben.
Eigentlich das Zubereiten von Espresso nicht so schwer. Man kann das wirklich gut lernen. Aber natürlich können Fehler entstehen. Wir haben euch die 20 wichtigsten Fehler bei der Espresso Zubereitung zusammen gefasst.